Das Netzwerk

Wortmagische Wirkprinzipien – von den ersten Zeugnissen bis in die Frühe Neuzeit

Dem Wort, ob geschrieben oder gesprochen, wird in religiösen, magischen und medizinischen Traditionen ein großes Maß an Macht zugeschrieben: Man versucht mit Worten zu heilen und zu zaubern, mit Sprache werden Götter verehrt und mit Schrift Macht ausgeübt. Viele kulturelle Systeme haben den Anspruch, mit Worten und Schriftzeichen die Realität zu verändern und in den Weltzusammenhang einzugreifen. Das interdisziplinäre wissenschaftliche Netzwerk fragt nach den kulturellen Paradigmen, die den wortmagischen Vorstellungen vormoderner Gesellschaften im Hinblick auf die Macht von Sprache und Schrift zugrunde liegen, und zwar an den Schnittstellen von Religion, Medizin und Magie. Untersucht werden soll, wie die übernatürliche Wirkung von Worten, Sprache und Schrift den Quellen zufolge zustande kommt und welche Wirkprinzipien sich als universal oder einzigartig ausmachen lassen.

Zeitlich erstreckt sich das Untersuchungsfeld von den ersten Zeugnissen bis in die Frühe Neuzeit, wobei die Anknüpfung an aktuelle Diskurse und moderne Problemstellungen als zentrales Aufgabenfeld gesehen wird. Denn manche wortmagische Wirkprinzipien werden seit Jahrtausenden in identischer Weise praktiziert und haben ihre Faszinationskraft bis heute nicht verloren, wie aus der gegenwärtigen Rezeption in Kunst und Kultur ersichtlich ist. Den Ambitionen, sich übernatürlicher Kräfte, Macht oder Weisheit zu bedienen und Wunder zu erwirken, mögen gesamtanthropologische Konstanten zugrunde liegen, deren Identifikation ein Ziel der Analysen wäre, wie etwa die Frage nach der Zukunft, die Sicherung von Gesundheit und materiellen Gütern sowie die Sehnsucht nach Liebe und die Angst vor dem Tod.

Interdisziplinäre Arbeit an schrifttragenden Artefakten

Ausgehend von einem mediävistischen Schwerpunkt im Bereich der Altgermanistik integriert das Netzwerk zahlreiche historisch arbeitende Fächer aus verwandten Disziplinen, um Synergieeffekte zu erzielen und neue theoretische Zugänge zu schaffen: der Geschichtswissenschaft und der Religionswissenschaft, mit Altorientalistik, Ägyptologie, Islamwissenschaft, Judaistik und christlicher Liturgiewissenschaft sowie Altphilologie (Gräzistik/Latinistik) und Medizingeschichte. Methodisch praktizieren wir materialbasierte Forschung, wobei neben Texten auch schrifttragende Artefakte und sonstige frühe Quellen als Untersuchungsmaterial analysiert werden. Im interdisziplinären Forschungsdiskurs werden gemeinsame Fragen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und Impulse für die Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Methoden sowie zur Vernetzung von kleinen Fächern gegeben.

Mithilfe des fachlich und zeitlich breit angelegten Zugriffs können gesamtanthropologische Konstanten eruiert werden: Welche Schwierigkeiten haben die Menschen schon früh mithilfe von Worten, Sprache und Schrift zu lösen versucht? Wie stellt man sich die erhoffte Wirkung vor? Wo liegen Gemeinsamkeiten und Differenzen wortmagischer Potenz im Bereich diverser religiöser, magischer und medizinischer Traditionen? Die unter diesem Fokus erarbeiteten Analysen sollen auch im Hinblick auf moderne Diskurse Fragen reflektieren, die die Menschheit seit Anbeginn interessiert haben – seit der Mensch begann, sich durch Sprache und deren schriftliche Notation von anderen Lebewesen zu unterscheiden und Macht über sie auszuüben zu wollen.

Arbeitsformate und Ergebnissicherung

In einer dreijährigen Laufzeit finden sechs thematisch strukturierte Arbeitstreffen statt, bei denen (Open Access-) Publikationen von gemeinsam diskutierten Einzelstudien erarbeitet werden, deren systematischer Zusammenhang durch die komparatistisch angelegten Arbeitsphasen gewährleistet ist. Neben den konstanten Mitgliedern werden Gäste eingeladen, um das Arbeitsprogramm des Netzwerkes zu bereichern, das sich auch als ein Instrument der Nachwuchsförderung versteht. Ein erstes Planungstreffen fand am 4. und 7. März 2022 online statt.

Kommende Veranstaltung

Im Dienst der Heilung: Selbstermächtigung und Legitimation

20.–22. MÄRZ 2025, 3. Arbeitstreffen, Kontakt: Yasmin Koppen und Katja Triplett